Hægt,
kemur
ljósið
"Der Vogel ist also nicht vor seiner Dunkelheit geflohen, sondern hat vielmehr einen Wiedergeburtsprozess durchgemacht, Hoffnung geschöpft."
Michael
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Dieses Lied aus dem Jahr 2010 hat mich berührt und steht für die Stimmung des Komponisten von Island.
Ólafur beginnt schlicht mit einem brüchig, aber nach vorne schauenden Pianoteil, welches abwechselnd die zierlich, zart sensiblen und nachdenklichen Major seventh chords mit Harmonien aus der Tonleiter spielt. Die Tonart a-moll bestärkt diesen anfänglichen Charakter. Schon Berlioz pflegte über die Tonart a-moll Folgendes zu sagen: "recht vollklingend, süß, traurig, verhältnismäßig erhaben."
Es ist eine zärtliche Ahnung des Lichtes gegeben, was auch schon im Video angedeutet, nicht real, sondern nur im Träumen.
Als die Streicher einsetzen zu beginnen - und meistens spüre ich bei Ólafur Arnalds eine tragende, schon mütterlich oder väterliche Komponente des Arrangements der Streicher - öffnet sich das Fenster und die Möglichkeit für den Vogel wäre gegeben darüber nachzudenken auszubrechen.
Es ist interessant, dass die Saiten gleich zu Beginn die dissonante Spannung aufnehmen. Die Geige II. beginnt mit dem dominanten E (von A) in Takt 25, während die Geige I. mit einem F die Spannung in Takt 27 verursacht. Die Saiten, die dem wandelnden Klavier die Sicherheit und die Basis geben, zeigen Solidarität mit der Zerbrechlichkeit des Klaviers , sozusagen.
Aber mit dem nächsten Ton G in Takt 29 gibt es jetzt einen dritten und dies gibt das Gefühl, dass die Saiten den weiten Horizont des Vogels bilden, der sich langsam aber kühn darin entwickelt.
Ermutigt und mit Rückendeckung von den sicherheitsgebenden Streichern, beginnt das Piano in Takt 41 einen hüpfenden Charakter zu entwickeln.
Mit dem Einsetzen von Viola & Cello wird der der Vogel in Takt 53 ermutigt das offene Fenster mehr und mehr in Betracht zu ziehen und aus der Dunkelheit seines Lebenshauses auszubüchsen. Hier zeigt sich das Viola, "die, um die Quinte tiefer gestimmte Violine" und das Cello eine weitere Bestärkung und Tiefenschärfe für den Vogel gegeben wird.
Als nun in Takt 61 die Percussions einsetzen, fliegt der Vogel los. Während die Streicher für die tiefe Motivation und Ermutigung stehen, steht das Schlagzeug für darauffolgende Aktion - Der Vogel geht seiner Sehnsucht nach dem Licht nach.
Die Streicher gaben ihm eine Ahnung, die Percussions den Arschtritt.
Ab Takt 69 verdichtet sich die Hoffnung des Vogels und der Wille nach dem Licht zu streben, indem Ólafur in den Streichern staccato einsetzt. In Takt 74 folgen wiederrum die Percussions mit Viertel, wieder mal ermutigt von den Streichern, die in diesem Stück die Sicherheit geben.
Bis zu Takt 95 baut sich der Song spannungsvoll und hoffnungsvoll auf, bis er dann in diesem Takt zum Höhepunkt der Zuversicht kommt. Die Violine I., welche in diesem Teil den Lead eingenommen hat, tritt zurück, nun haben die Streicher ihre Bestimmung erfüllt: Sie haben die Hoffnungsperspektive eröffnet. Der Vogel fliegt noch in Schnee und Regen, und doch wissen alle, dass das Glück schon im Weg ist. Der Weg ist das Ziel, weil die Neugier der Hoffnung trägt.
Die Mission der Violine I. ist vollendet.
In Takt 127 ist das Feuerwerk zu Ende und der Vogel ist nicht mehr alleine. Glück kann nicht alleine erlebt, sondern im Teilen gelebt werden.
Der Vogel fliegt zurück, nicht mehr alleine. Es ist eine Geschichte von einer Reise und ihrer Rückkehr. Es ist wie der verlorene Sohn, der heimkommt, oder Herr der Ringe, als die Sache mit dem Ring endlich erledigt und Ruhe eingekehrt ist.
Der Vogel ist also nicht vor seiner Dunkelheit geflohen, sondern hat vielmehr einen Wiedergeburts-Prozess durchgemacht, Hoffnung geschöpft - die Quelle lässt Ólafur Arnalds offen. Im Video als Sonne dargestellt, ist es interpretationsoffen.
Fest steht, dass in der Musik in sich die Botschaft von Reise und Rückkehr, Sehnsucht und Wiedergeburt drin steckt.
Dies macht die Musik von Ólafur Arnalds zu einer Musik der Freude, auch wenn sie in Moll geschrieben ist. Im Clash-Magazin spricht Ólafur über friedliche Musik, selbst traurige Musik entsteht aus Freude. Im Moll liegt das Glück, nicht immer glücklich sein zu müssen, sondern sich der Dunkelheit zu stellen und nach dem Licht zu suchen, das es schon lange gibt ...